Die Wahl in Thüringen hat mich in den letzten Wochen sehr bewegt. Es fühlt sich an, als wäre etwas kaputt gegangen in Deutschland. Ganz genau kann ich es nicht benennen.
Kontext Ich bin vor ein paar Monaten in die FDP eingetreten, gereade weil ich mich deutlich gegen Populisten und Nazis stellen möchte. Ich denke, in eine einer Demokratie engagiert man sich besser durch Basisarbeit in Partien und Kommune, also durch moralisierende Social Media Postings. Deshalb der Parteieintritt. Die FDP ist es geworden, va. wegen Renten + Gesundheits- politik.
Als FDP Anhänger habe ich also die Wahl aus einer etwas anderen Perspektive wahrgenommen, da ich die FDP nicht als pol. Gegner sondern als Gleichgesinnte mit guten Intentionen kennengelernt habe. Wenn man die Aufregung in Presse und Social Media gesehen hat, hätte man meinen können die FDP hätte Höcke zum Ministerpräsidenten gewählt. Wenn man genau hin schaut muss man sehen:
a. Einen Kandidaten zur Wahl aufzustellen ist immer erlaubt. b. Die FDP hat keinen Einfluss darauf wie andere Parteien abstimmen. c. Eine demokratische Wahl anzunehmen, kann einem niemand vorwefen.
Was GAR NICHT geht, ist eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD, wie z.B.:
Die FDP hat aber auch nichts davon getan. Eine Koalition (1.) und Zusammenarbeit (2.) mit der AfD war immer ausgeschlossen. Vor wie nach der Wahl. In seiner Antrittsrede hat Kemmerich das auch nochmal explizit gesagt. Ob es Absprachen (3) gab, ist schwer zu beurteilen. Überraschen sollte der Schachzug der AfD sicher nicht. Die Vorstellung, dass sich Kemmerich und Höcke getroffen haben um das abzusprechen, halte ich aber für absurd. In dubio pro reo.
Was bleibt unterm Strich?
Wir haben auf jeden Fall einen MP ohne Optionen für eine Regierung. Dann scheinen Neuwahlen ein guter Schritt zu sein.
Hat die FDP mit der Annahme der Wahl (c) den Sündenfall begangen?
Falls ja, dürfen dann Wahlen mit Stimmen der AfD nicht mehr angenommen werden? Wie soll das praktisch gehen, bei geheimen Wahlen bei denen die AfD 20%+ der Stimmen hält? Es scheint so zu sein, dass wir die rote Linie trotzdem hier ziehen wollen. Der einzige Weg das zu realisieren, sind dann aber Absprachen des demokratischen Lagers von Linke bis FDP ihre Stimmen taktische zu verteilen um die AfD daran zu hindern Ihren Einfluss auszuspielen. Ein erstes Zeichen davon ist die Forderungen der Linken nach CDU Stimmen f. Ramelow. Ist das aber nicht gerade eine Aushölung der parl. Demokratie?
Für mich ist die Situation aktuell schwer zu bewereten. Ich bin immernoch verwirrt. Selbst wenn Fehler passiert sind, hoffe ich dass wir weiterhin klar versehen, dass die FDP ein Verbündeter im Kampf gegen Populismus und Extremismus ist, kein Gegner.
Heinrich Hartmann, 2020-02-15, Stemwede.
Thread: https://twitter.com/HartmannTalk/status/1228793535203291136
Lieber Herr Imhof,
natürlich muss man damit rechnen, dass die AfD sich so verhält wie sie es getan hat. Bei der Wahl gab es nicht gerade viele Optionen: 3 Kandidaten / 6 Parteien. Das kleine Einmal-Eins sollte im Politikbetrieb jeder beherrschen.
Es gibt aber einen Unterscheid ob (A) zwei Parteien unabhängig voneinander zu dem selben Schluss kommen oder (B) bewusst Absprachen getroffen wurden taktisch zu wählen (#collusion).
Im Fall (B) muss eine beidseitige Kommunikation zwischen den Parteiführungen statt gefunden haben. In diesem Fall wäre auch besprochen worden, was für die beiden Parteien drin gewesen wäre: Typischer weise wären das Programmabsprachen und Ministerposten.
Option (A) ist plausibel, gerade weil ein Linker MP in beiden Lagern unpopulär ist und “die Wahlprogramme von AfD, CDU und FDP zu rund zwei Dritteln ähnlich sind” (Zitat Hahn/Focus).
Option (B) halte ich für unrealistisch. Kämmerich hat sich konsistent vor und nach der Wahl ganz klar von programmatische und personelle Einflussnahme durch die AfD ausgeschlossen. Ich habe keinerlei Belege für irgendwelche Absprachen gesehen.
In meinen Augen muss man beide Optionen trennen. Wenn wir das nicht tun, werden viele demokratischen Entscheidungen anfetchbar (e.g. Wahl von VonDer Leyen zur EU Kommisonspräsidentin mit Stimmen der PIS / Orban.) Eine Wahl wird nicht dadurch illegitim oder unmoralisch, weil Radikale die selbe Meinung vertreten haben.
Mit freundlichem Gruß, Heinrich Hartmann
Lieber Heer Imhof,
ohne Frage, hat sich FDP in Thürigen in ein gigantisches Fettnäpfchen gesetzt und der FDP bundesweit grossen Schaden zugefügt. GUT finde ich das sicher nicht!
Die Frage die wir hier diskutieren ist:
Hat die FDP tatsächlich eine rote Linie überschritten, und einen
"unverzeihlichen" Sündenfall begangen.
Keinen realistischen Regierungsplan zu haben ist unschön, aber kein Sündenfall.
Wäre eine Minderheitsregierung FDP+CDU+SPD mit wechselnden Mehrheiten von Links/Rechts der Sündenfall gewesen?
Wenn Herr Kemmerich sagt, er wollte nie mit der AfD koalieren, verhandeln oder sie in Gesetzgebungsprozesse einbeziehen dann glaube ich ihm das. Das ist auch nicht zwingend erforderlich um Stimmen im Landtag zu erhalten. Ist es schon “kooperation” wenn man in manchen Punkten einer Meinug ist?
Vielleicht müssen wir die Linie trotzde hier ziehen. Vielleicht ist die Gefahr in so einer Konstellation von der AfD erpresst oder manipuliert zu werden zu groß. Ich weiss es nicht. Über diese Frage wurde bisher aber auch kaum gesprochen.
Was ich sicher weiss ist:
Gute Nacht! Heinrich Hartmann
Thread: https://twitter.com/juliefromspb/status/1228961136118288385
Lieber Jannis Unland,
Die Frage ist doch:
Wo genau ziehen wir die Linie gegen Rechtsextreme?
Wenn wir sagen, alle Wahlen die von der AfD entschieden weden sind illegitim, dann sehe ich in naher Zukunft eine ganze Reihe von trickreichen Fragen auf uns zukommen:
Woher will man in einer geheimen Wahl wissen, wer sie entscheiden hat?
Wie will man vermeiden dass eine Partei die mit 10%+ in mehreren Parlamenten vertreten ist, wahlen entscheidet?
Sind taktische Absprachen zwischen Links, Grün, CDU, SPD, FDP um Einflussnahme durch die AfD zu verhindern (e.g. Stimmern der CDU für Ramelow) (a) realistisch und (b) im Geiste der Verfassung.
Derartige Fragen stellen sich schon heute bei Bürgemeisterwahlen in den Kommunen. Oder eben bei der EU Kommission.
Ich bilde mir nicht ein die endgültige Antwort zu kennen. Ich bin mir sicher, dass wir eine Linie gegen Rechts ziehen müssen. Ich denke aber auch, dass die Wahl von Kemmerich nicht der Sündenfall war zu dem er gemacht wurde.
Mit freundlichen Grüßen, Heinrich Hartmann